BGH: Umkehr der Beweislast bei grobem Behandlungsfehler eines Tierarztes
Der Bundesgerichtshof hat sich mit der Frage der Umkehr der Beweislast im Falle eines wegen fehlerhafter tierärztlicher Behandlung in Anspruch genommenen Tierarztes befasst.
Im Juli 2010 stellte die Klägerin ihr Pferd dem beklagten Tierarzt wegen einer Verletzung am rechten hinteren Bein zur Behandlung vor. Der Beklagte verschloss die Wunde, nahm aber keine weiteren Untersuchungen vor. Einige Tage später wurde eine Fraktur des verletzten Beines diagnostiziert. Die Operation der Fraktur gelang nicht, das Pferd wurde noch am selben Tag getötet. Das Pferd hatte durch den Tritt eines anderen Pferdes eine Fissur des Knochens erlitten, die sich zu einer vollständigen Fraktur entwickelt hatte.
Die Vorinstanz verurteilte den Tierarzt dem Grunde nach, der Tierhalterin Schadensersatz wegen der fehlerhaften Behandlung ihres Pferdes zu zahlen. Der Tierarzt habe einen groben Behandlungsfehler in Form eines Befunderhebungsfehlers begangen. Er hätte erkennen müssen, dass die Möglichkeit einer Fissur bestand und dazu weitere Untersuchungen vornehmen müssen, die die Fissur bestätigt hätten.
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs bestätigte das Urteil der Vorinstanz. Die in der Humanmedizin entwickelten Rechtsgrundsätze hinsichtlich der Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern, insbesondere auch bei Befunderhebungsfehlern, seien auch im Bereich der tierärztlichen Behandlung anzuwenden. Beide Tätigkeiten bezögen sich auf einen lebenden Organismus. Bei der tierärztlichen Behandlung komme - wie in der Humanmedizin - dem für die Beweislastumkehr maßgeblichen Gesichtspunkt, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen wegen der elementaren Bedeutung des Fehlers besonders verbreitert oder verschoben worden ist, eine besondere Bedeutung zu. Auch der grob fehlerhaft handelnde Tierarzt habe durch einen schwerwiegenden Verstoß gegen die anerkannten Regeln der tierärztlichen Kunst Aufklärungserschwernisse in das Geschehen hineingetragen und dadurch die Beweisnot auf Seiten des Geschädigten vertieft.
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs
Urteil vom 10. Mai 2016 – VI ZR 247/15